Das Radio ist Gaga  

Es ist eine Unverschämtheit, wie sich die Radioanstalten (öffentliche ebenso wie private) im Senden von schwachsinnigen Jingles übertreffen. “Die besten Hits der 80er, 90er und das Beste von heute”. Jede beliebige Anstalt haut ihren Hörern diesen Text im Sekundentakt um die Ohren. Damit aber offensichtlich nicht genug. Die Gute-Laune-Moderatoren wiederholen diese Botschaft neben ihren zwanghaften Gags in jeder Musikpause. Das nervt, echt!
Offensichtlich sind die Leute nicht in der Lage, eine vernünftige Programmfarbe zu entwickeln. Am frühen Morgen witzeln die Moderatoren um die Wette und bemühen sich, Ihre Hörer gut gelaunt in den Tag zu bringen. Ich bilde mir ein, dass man sich seinen Radio-Sender früher nach den Moderatoren und der Musik ausgesucht hat. Welchen Sender man hörte (es wurde ohnehin kaum gewechselt), erkannte man an den Stimmen und der Themenauswahl. Programmfarbe wurde durch die Auswahl der Beiträge und die Art der Präsentation geschaffen. Manche Sender waren sogar in der Lage, ihre Musikredakteure sinnvoll einzusetzen. So wurden die Stücke beispielsweise passend zu den Themen des Moderators zusammengestellt. Jetzt verkümmern diese Talente zu debilen Chart-Fetischisten.
Jeder Sender hat sich auf diese Weise seine Sendungen und damit seinen Charakter erarbeitet. Heute weiß man welchen Sender man gerade hört, weil die Moderatoren uns unaufhörlich daran erinnern. Wahrscheinlich ist das eine perfide Foltermethode, die obendrein keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Man fragt sich, ob die Ausbildung zum Moderator eine komplette Gehirnwäsche einschließt? Oder enthalten die Arbeitsverträge die verbindliche Verpflichtung, die Hörer mürbe zu machen? So, dass sie sich dank Hirnschwamm außer Stande sehen, die Taste für den Konkurrenzsender zu drücken.
Natürlich will ich Musik hören. Ich will auch Beiträge hören, Möglichst welche, die sich Zeit lassen für ihre Themen. Offensichtlich diktiert von der MTV-Geschwindigkeit sind die Radiostationen zu schnell für sich selbst geworden. Vielleicht passt mir ja die Musik der 80er, 90er und das angeblich Beste von Heute, okay, dann schalte ich einen der Sender ein, die das spielen. Aber ich will doch nicht, dass mir dieser Sender zweihunderttausendmal am Tag erklärt, warum ich ihn eingeschaltet habe. Da muss doch jeder normale Mensch völlig weich im Hirn werden. Was bleibt mir? Ich suche immer nach einem Lied das mir gefällt, egal bei wem. Textet ein Moderator in die Lücke zwischen zwei Stücken, warte ich höflich, ob es mich interessiert und wenn es nicht passt, geht es ab zum nächsten Sender. Ist mir doch egal, welche Station ich höre, die Musik muss gefallen oder der Beitrag interessieren. Wie soll sich denn auf diese Weise Markentreue und Kundenbindung entwickeln? Etwa durch die schwachsinnigen Gewinnspiele, für die man die senderübergreifende Jingle-Botschaft beim Anruf am Telefon aufsagen muss? Egal ob der Nachbar, die Chefin oder mein Steuerberater anruft? Mit der man dann den Hauptpreis gewinnt ohne zu wissen, welcher Sender den gerade ausgelobt hat, weil sie sich alle gleichen wie ein Klon dem anderen? Da schließt sich der Gehirnwäsche-Kreis zum perfekten Rund.


Digitalex